Wer ist Mitt Romney?

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Für manche Autoren in Pro-Israel-Foren scheint die Frage der Nahost-Politik das einzige Kriterium darzustellen, um für oder gegen Mitt Romney Partei zu ergreifen.

 

Aber: Gibt es nicht eine ganze Reihe weiterer Kriterien, nach denen beurteilt werden sollte? Und: Sollte man, bei aller Identifikation mit Israel, seinen Nöten und Bedrohungen, nicht der eigenen Geographie Rechnung tragen und sich fragen, ob man denn im eigenen Land für einen Kandidaten stimmen würde, der ein ähnliches Programm hat?

 

Denkt man stillschweigend, das Romney-Programm wäre gut für Amerika, aber nicht für das eigene europäische Land?

 

Oder aber man ist in den Grundzügen von der Gültigkeit des Romney-Programms überzeugt, daher hält man eine entsprechende Umsetzung dieser Punkte auch im eigenen Land für angebracht und notwendig. Diese konsequente Argumentation wäre zu respektieren, aber sie kommt nur bei wenigen Autoren in Pro-Israel-Foren vor, andere scheinen die verschiedenen « nationalen » Programmpunkte nicht in ihrer Entscheidung pro oder contra Romney berücksichtigen zu wollen.

 

Ganz davon abgesehen ist am Vergleich zwischen Obama und Romney in Sachen Aussenpolitik, besonders Nahost-Politik, etwas schief. Denn verglichen werden Programmpunkte, gekoppelt mit bisheriger Praxis, (Obama) mit bloss theoretischen Programmpunkten eines Kandidaten ohne jegliche Erfahrung in der Aussenpolitik (Romney). Verglichen werden Äpfel mit Birnen, was, zugegeben, nicht anders sein kann; in Frankreich gab es eine ähnliche Problematik in der Gegenüberstellung der Positionen zur Aussenpolitik von Nicolas Sarkozy und François Holland während der Kampagne zu den Präsidentschaftswahlen. Was die aussenpolitischen Positionen der beiden Kontrahenten angeht sollten die Grenzen der Stichhaltigkeit eines solchen Vergleichs bedacht werden. In nationalen Fragen wie Gesundheit, Defizit und Steuern ist es etwas anders, in ihnen kann die bisherige politische Tätigkeit Romneys seinen Aussagen Glaubwürdigkeit verleihen - oder eben nicht.

 

Betrachten wir uns einige der Programmpunkte Romneys auf nationaler Ebene.

 

Illegale Einwanderer

« Innenpolitisch nimmt Romney eine harte Haltung gegenüber illegalen Einwanderen ein und lehnt eine nachträgliche Legalisierung ab. «  (1) Meiner Meinung nach sollte gegenüber den illegalen Einwanderern zumindest eine teilweise Legalisierung durchgeführt werden. Vergleichen wir mit französischen Verhältnissen: eine völlige Verweigerung einer nachträglicher Legalisierung hat hier auch die konservative Regierung unter Sarkozy nicht betrieben, dies waren und sind die Parolen der Front National. Auf europäische Verhältnisse übertragen ist Romney in der Frage der illegalen Einwanderung den Rechtsextremen näher als den Konservativen.

Homosexualität und Homo-Ehe

« Auch gegen gleichgeschlechtliche Ehen spricht er sich aus, ist aber mit der Einführung von eingetragenen Partnerschaften in den einzelnen US-amerikanischen Bundesstaaten einverstanden. « (1) Dies scheint nicht der letzte Stand zu sein, hat er doch gefordert, den Satz, die Ehe wäre ausschliesslich die zwischen Mann und Frau, in die US-Verfassung zu schreiben.

Homosexuelle Ehen abzulehnen ist nicht unbedingt etwas Reaktionäres oder Zeichen einer anti-homosexuellen Einstellung, wie deren Befürworter oft vereinfachend behaupten. Ich persönlich lehne die Homo-Ehe ab, plädiere aber dafür andere Wege zu begehen, um die rechtlichen Benachteiligungen homosexueller Paare zu beseitigen. Es ist nicht glaubhaft, dass die Ehe der einzige Weg sei, um rechtliche Benachteiligungen homosexueller Paare zu beseitigen.

Nur - bei Romney ist von der Frage der Benachteiligung homosexueller Paare keine Rede, diese Frage ist immerhin die Begründung für die Einführung der Homo-Ehe. Romney will nicht nur nichts wissen von Homo-Ehen, auch die Frage der Benachteiligungen homosexueller Paare ist für ihn kein Thema. Romneys Programm zielt auf konservative, streng religiöse, heterosexuelle Männer und Frauen, wer politisch oder sexuell anders orientiert isthat wenig Grund ihn zu wählen, zumindest nicht in diesem Programmpunkt.

Abtreibung

In der Frage der Abtreibung ist das Programm der Republikaner in einem Masse reaktionär und gegen Frauenrechte gerichtet, wie man es in Europa nur selten findet:

« Die Republikaner(...) wollen laut ihrem Programm Abtreibungen verbieten. Dies soll auch dann gelten, wenn die Frau vergewaltigt, Inzest betrieben wurde oder ihr Leben durch die Schwangerschaft und Geburt in Gefahr gerät. « (2). Romney selbst hat sich in den letzten Jahren in diesen Fragen radikalisiert: « Während sich Romney in den 1990er Jahren noch für das Recht der Frau auf Abtreibung ausgesprochen hat, setzt er sich nun gegen Abtreibungsrechte ein. » (3)

Die militanten Abtreibungsgegner in den Staaten, die Kliniken belagern und abtreibende Ärzte mit Ermordung drohen, werden sich über einen amerikanischen Präsidenten namens Romney freuen, für die Bürgerrechtsbewegung und für die Frauen aber wäre seine Wahl ein gewaltiger Rückschlag.

Romney verspricht viel, was kann er halten?

N24 befasst sich mit Romneys Versprechungen in Sachen Wirtschaft, Arbeitslosigkeit, Steuern, Staatsdefizit:

« Millionen neuer Jobs will der republikanische Präsidentschaftskandidat schaffen, Steuern sollen massiv gesenkt werden - gleichzeitig will er das chronische Haushaltsdefizit abbauen. Nicht einmal Barack Obama hatte vor vier Jahren derart vollmundige Versprechungen gemacht. » (4)

Patriotisches Delirium

Weiter beleuchtet N24 Romneys Amerikabild: « Doch damit ist Romney mit seinem Ehrgeiz noch nicht am Ende: So soll ganz Nordamerika bis 2020 - das wäre das Ende seiner zweiten Amtszeit - kein Erdöl mehr importieren müssen. Und nicht zuletzt: Am amerikanischen Vorbild soll die Welt genesen. Ohne Wenn und Aber fordert er den globalen Führungsanspruch von "God's own Country" ein. Originalton Romney: "Das 21. Jahrhundert kann und muss ein amerikanisches Jahrhundert werden." » (4)

Romney offenbart hier ein bedrohliches Amerikabild. Gibt es historische Beispiele dafür, dass die grosse Macht Amerikas sich auf die Geschicke der Menschheit sehr positiv auswirkte (ich denke vor allem an das Eingreifen der USA im Zweiten Weltkrieg), so gibt es auch gegenteilige Beispiele, wie zum Beispiel den Vietnamkrieg. Als Europäer haben wir Interesse daran, dass die grosse Macht, die Amerika ausübt in der Welt, begrenzt wird und dass das 21. Jahrhundert eben kein « amerikanisches Jahrhundert » wird. Aber natürlich auch kein islamisches oder chinesisches, und das kann nur Amerika verhindern …

©Reiner Schleicher // http://reinerschleicher.over-blog.com

(1) http://www.wiwo.de/politik/ausland/wahlprogramme-so-wollen-die-kandidaten-die-usa-reformieren-seite-2/5337306-2.html

(2) http://www.sueddeutsche.de/politik/wahlprogramme-der-us-parteien-darueber-streiten-obama-und-romney-1.1458686

(3) Mitt Romneys Wahlprogramm: "Jobs, Jobs, Jobs" - RTL.debei www.rtl.de

(4) http://www.n24.de/news/newsitem_8312071.html





 

 

 

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